In der Schule bei Freud. Tagebuch des Jahres 1912/13

Werkedition Bd. 14
(Briefe und Tagebücher Bd. 1)

Im Oktober 1912 reiste Lou Andreas-Salomé nach Wien, um Sigmund Freud, aber auch andere Psychoanalytiker der ersten Stunde persönlich kennenzulernen und bei ihnen zu studieren. Ihr Tagebuch der folgenden zwölf Monate, in der vorliegenden Neuausgabe nach dem Originalmanuskript neu transkribiert, ist ein unvergleichlich wertvolles Dokument aus der Pionierzeit der Psychoanalyse.

Als klare und neutrale Beobachterin analysiert sie sowohl die verschiedenen Denk- und Theorieansätze als auch die Befindlichkeiten der ersten Psychoanalytiker. Der Leser erfährt die Reizthemen, wird mitgenommen zu den Treffs in Cafés, Restaurants und Kliniken und erlebt Freud, seine Bewunderer wie Viktor Tausk und Kritiker wie Alfred Adler hautnah. Ihre Aufzeichnungen vom Münchner IPV-Kongress 1913, sind der einzige Augenzeugenbericht von der kontroversen Tagung, in deren Folge die endgültige Abspaltung der Zürcher Schule um C.G. Jung unabwendbar wurde.

Daneben berichtet das Tagebuch auch vom Wiederbeleben der Bekanntschaften mit Arthur Schnitzler, Richard Beer-Hofmann, Marie von Ebner-Eschenbach und anderen Autoren und Künstlern und wirft damit ein reizvolles persönliches Schlaglicht auf die Kulturszene Wiens im frühen 20. Jahrhundert.

Editorische Notiz

Dieser Band enthält in ungekürzter Form das Tagebuch des Wiener Aufenthalts 1912/13 und der Aktivitäten bis Ende des Jahres 1913 aus dem Lou Andreas-Salomé Archiv, Göttingen. Der Textstand wurde anhand der originalen Blätter neu erstellt. Sie folgt nicht der 1958 von Ernst Pfeiffer publizierten Ausgabe. Die Transkription besorgte Dorothee Pfeiffer, die Inhaberin des Lou Andreas-Salomé Archivs, mit akribischer Sorgfalt und großem Engagement. Herausgeber und Verlag danken ihr dafür ganz herzlich!

Die originale Schreibweise und Zeichensetzung sind bewusst beibehalten worden, z. B. naïv, Geberde, Fittige, Ueberkompensirung. Einzig »ß« wurde einheitlich eingesetzt, wo im Typoskript »ss« stand, da Lou Andreas-Salomé handschriftlich stets »ß« schrieb.

Die Eigenheit Lou Andreas-Salomés, vor allem Eigennamen in aller Regel in lateinischer Schrift zu schreiben – in Abgrenzung gegen die von ihr sonst gebrauchte deutsche Schrift, wird im Druckbild durch eine serifenlose Schrift widergegeben. Abgekürzte Namen haben wir der besseren Lesbarkeit halber in spitzen Klammern ergänzt. Die Überschriften und die Datumsangaben wurden von uns zur besseren Übersichtlichkeit ergänzt und bezeichnen den Tag des Ereignisses und nicht denjenigen der Niederschrift.

Korrigenda

Zur 1. Auflage:

Ein aufmerksamer Leser hat uns darauf hingewiesen, dass in der aktuellen Ausgabe drei Stellen zu aktualisieren sind:

  • S. 128 „Malles”: Es könnte sich um den schwedischen Bildhauer und Freund Bjerres aus jungen Jahren Carl Milles (1875–1955) handeln.
  • S. 130 „Amelie”: Bjerres Bruder Andreas (geb. 1879) war drei Jahre jünger als Poul A. Bjerre (geb. 1876) und nicht sieben Jahre älter.
  • S. 210 unten: Die Erläuterung zu S. 175 gehört auf S. 214.

Ausgaben aus dem Nachlass

Hg. von Ernst Pfeiffer:
Zürich: Niehans Verlag 1958
München: Kindler Verlag 1965
Frankfurt am Main: Ullstein Verlag 1983

Übersetzungen (der Ausgaben von Ernst Pfeiffer)

(spanisch) Aprendiedo con Freud : diario de un año, 1912 - 1913. Prólogo y notas de Ernst Pfeiffer. Trad. L. Lalucat y J. Vehil. Barcelona: Laertes 2001

(italienisch) I miei anni con Freud : Diario 1912/1913, Rom/Italien: Newton Compton editori 1977

(französisch) Journal d'une année, 1912-1913, in: Correspondance [de Lou Andreas-Salomé] avec Sigmund Freud, 1912-1936. Suivie du Journal d'une année, 1912-1913. Avant-propos et notes d'Ernst Pfeiffer. Trad. de l'allemand par Lily Jumel. Paris: Gallimard 1970

(englisch) The Freud journal. Transl. from the German by Stanley A. Leavy. New York: Basic Books 1964.
London: Hogarth Press/London: Inst. of Psycho-Analysis 1965.
With an introd. by Mary-Kay Wilmers. London/New York: Quartet Books 1987

Offene Frage

Kennt jemand die folgenden Verse und weiß, von wem sie stammen?

»Ich vergriff mich an Dir, – ich wähnte Dich Stein:
Ich tödtete Dich, – so sehr warst Du mein.«

(In der Schule bei Freud, S. 129)

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