Anmerkungen zu Begegnungen

Zu Oscar Bruns

[1] Nicht zuletzt hat sich Andreas-Salomé mit einem seiner Kinder beschäftigt: »3 Kinder deren jüngstes das Bübchen aus meinem Narzißmusaufsatz ist«  und auch eine Bekannte seiner Frau war bei ihr in Analyse (vgl. die Briefe an Anna Freud vom 11.4.1922 und 23.10.1922; LAS-AF-Br 39 und 87). Seine Frau vermietete Zimmer, einmal sogar an Anna Freud (1922). 

[2] Weitere Details zu seinem Werdegang im Marburger Professorenkatalog

[3] vgl. hierzu auch: Pechota Vuilleumier, Cornelia: »Lou Andreas-Salomé zwischen Königsberg und Kaliningrad. Eine biographische Erfahrung im historischen Zusammenhang«, in: Kultursoziologie Nr. 1/2014, Potsdam 2014, 56–66

Zu Johannes Marcinowski

[1] Dieser Beitrag orientiert sich in großen Teilen an dem äußerst dankenswerten Artikel: Heike Bernhardt (2011): »Johann Jaroslaw Marcinowski (1868–1935) und sein Sanatorium Haus Sielbeck am Uklei. Psychoanalyse im klinischen Setting«. Mit einem Anhang: Freuds Briefe an Marcinowski, hg. von Gerhard Fichtner und Michael Schröter, in: Luzifer-Amor 24 (2011), Heft 47, 133–168; weitere Quellen sind an der jeweiligen Stelle angegeben.

[2] Einerseits hat Marcinowski auf der Basis seiner frühen Rezeption Freudscher Schriften die Psychoanalyse bereits ab 1907 in seinem eigenen Sanatorium Sielbeck als stationäre Behandlungsmethode angewendet – also deutlich vor der Poliklinik des BPI (1921 gegründet) und Ernst Simmels Sanatorium Schloss Tegel (1927 gegründet).
Des Weiteren hat er sich ab 1910 in der psychoanalytischen Vereinigung bewegt, hat auf dem Nürnberger Kongress (September 1910) einen Vortrag gehalten und hielt sich einige Wochen bei Sigmund Freud in Wien auf (Anfang 1911), wo er in einer der Sitzungen auch vorgetragen hat (vgl. Protokolle Bd. 4, 1–17; Sitzungen 156, 157, 158).
Andererseits hat er sich der Psychoanalyse nicht ausschließlich verschrieben. So ließ er sich z.B. sogleich wieder von der Gründungsliste der BPV streichen und überschritt immer wieder die Grenzen der aktuellen psychoanalytischen Lehre in seinen Argumentationen und seinen Aktivitäten, so dass Sigmund Freud ihn bereits 1910 als potenziell »ketzerisch« titulierte (in einem Brief an C.G. Jung).

[3] Heilbrunn war bis 1934 ein Ortsteil der Gemeinde Steinbach, bis es offiziell in »Bad Heilbrunn« umbenannt wurde; vgl. Wikipedia (zuletzt angesehen am 3.6.2024).

[4] Eine erste Bekanntschaft ist möglicherweise auf dem Weimarer Kongress im September 1911 erfolgt, an dem beide teilgenommen haben. Dass sie ihn in ihrem Tagebuch nicht erwähnt, ist ein Schicksal, das er sich mit Max Eitingon teilt. Auf dem bekannten Kongressfoto steht er weit rechts außen, während Eitingon ziemlich in der Mitte hinter Sándor Ferenczi steht, der sich seinerseits direkt hinter Lou Andreas-Salomé positioniert hat.
Auf dem Kongressfoto ist auch eine weitere Teilnehmerin zu erkennen, nämlich die Schriftstellerin und Journalistin Maria von Stach (1876–1948, dritte rechts von Andreas-Salomé), mit deren Ex-Mann – Theodor Lessing (1872–1933) – Lou Andreas-Salomé im Jahr 1906 während mehrerer Monate persönlichen Kontakt hatte und die auch das hoch komplizierte Eheverhältnis der beiden kannte (vgl. Marek Nekula (1997): »Lou Andreas-Salomé und Theodor Lessing. Eine Begegnung im Jahre 1906«, in: Studia Minora Facultatis Philosophicae Universitatis Brunensis, 2, 79–96). Die beiden Frauen waren sich in der Folgezeit wohl gelegentlich begegnet, waren sich jedoch nicht sonderlich sympathisch. Von Sissy Frerichs (†1914), einer guten Bekannten von Lou Andreas-Salomé, die 1909 als »Sekretärin«, wohl auch als Pflegerin und Gesellschafterin im Sanatorium Sielbeck gearbeitet hat (Brief von Ellen Key v. 20.11.1908; LAS-EK-Br), wusste Andreas-Salomé vom Aufenthalt Maria von Stachs als Patientin im Haus Sielbeck – und hatte damit wohl auch von Marcinowski und seinen Therapiemethoden gehört.
Von diesen zufälligen persönlichen Treffen ausgehend ist es gut möglich, dass Andreas-Salomé Publikationen von Marcinowski kannte, da sie ab dem Zeitpunkt ihrer Kongressteilnahme wohl alles an psychoanalytischen Schriften rezipiert hat, was sie bekommen konnte.
Möglich ist auch, dass sich Freud ihr gegenüber bei ihren privaten Treffen (z.B. am 8.12.1912) geäußert hat, da er zwischen Oktober und Dezember 1912 intensiv mit Marcinowski korrespondierte und er dessen Abdriften zu Wilhelm Stekel (1868–1940) verhindern wollte. 
Im Dezember trat Marcinowski schließlich der IPV bei. Für Freud sah das nach einem Schlussstrich aus: »Im Ganzen scheint es mir ein Fall, in dem man persönliche Empfindungen sachlichen Interessen opfern mag, bis es gelingt erstere an die letzteren anzupassen.« (Brief 5 vom 19.12.1912, in: Bernhardt 2011, 161) In diesem Fall sollte Andreas-Salomé von seiner durchaus ambivalenten Haltung zu Marcinowski gewusst haben.

[5] Das Besondere an der Marcinowskischen Behandlungsmethode war wohl, dass er und seine Frau sehr offen und transparent ihre familiären Beziehungen gegenüber den Patienten sichtbar werden ließen, die sich ihrerseits dadurch aufgefordert fühlten, es ihnen gleich zu tun und ebenso schonungslos damit umzugehen.
Andreas-Salomé beschreibt es so: »Aber diese beiden Menschen bringen es fertig, ihr persönliches und Familienleben derartig offen vor Aller Augen darzulegen, daß die Kranken um sie herum sich ebenfalls zur Ehrlichkeit fortgerissen fühlen und mittun; sich dabei gegenseitig unwillkürlich lockernd und – unter Reibungen – sich weiterhelfend.« (SF-LAS-Br 112 f.: B v. 16.6.1920). 
Offensichtlich störte es sie nicht, dass Marcinowskis Frau keinerlei psychotherapeutische Ausbildung – außer der Schulung durch ihren Mann. Von Sigmund Freud ist kein Antwortbrief darauf erhalten.

[6] Unveröffentlichter Brief an Emma Flörke, Lou Andreas-Salomé Archiv, Göttingen.
Es stellt sich die Frage, ob Lou Andreas-Salomé den Rundbrief von Karl Abraham überhaupt kannte, denn sie war kein Mitglied der IPV – oder ob sie ihn einfach nicht beachtet hat, weil sie selbst die Diskrepanz zwischen den Schriften und der realen Therapie erlebt hat: »nach Marcin.s Schriften hatte ich überhaupt nicht erwartet, daß wir uns voll verstehen würden, sie waren mir immer zu allgemein, rhetorisch und ›ethisch‹ vorgekonmen; das praktische Ergebnis kann ich aber nur bewundern.« (SF-LAS-Br 112 f.: B v. 16.6.1920)

Lou Andreas-Salomé wird sich in diesem Fall an ihre Kindheit in einem Elternhaus mit strengen Regeln für den Umgang miteinander und der Bindung an die protestantische Religion erinnert gefühlt haben, deren Enge sie vor langer Zeit verlassen hatte. Und das, so lange nach ihrer Auseinandersetzung mit Friedrich Nietzsche und der intensiven Beschäftigung mit Religionsgeschichte und Religionsphilosophie, denen sie in ihrem essayistischen Werk nachgegangen war (vgl. die Aufsätze in AuE 1).
 

Zu Ripkes

[1] Schloss Bischofstein, oberhalb von Lengenfeld unterm Stein in Thüringen, nahe der ehemaligen Grenze DDR/BRD, etwa 60 km von Göttingen entfernt, war ein renommiertes Internat für Jungen, gegründet 1908 von Gustave Marseille (1865–1917) nach den reformpädagogischen Grundsätzen von Hermann Lietz (1868–1919). Seine Frau Hedwig (1881–1954), geb. Vowinckel, und ältere Schwester der späteren Psychoanalytikerin Edith Vowinckel-Weigert (1894–1924) war seit 1911 mit Marseille verheiratet. Ihre Eltern und ihre noch nicht volljährige Schwester Edith waren ebenfalls nach Bischofstein gezogen. Dort verstarb ihr Vater 1916 und ihre Mutter 1917. Nach Marseilles frühem Tod 1917 heiratete sie 1923 Walter Ripke (1886–1965), der seit 1920 den Schulbetrieb in Bischofstein leitete.
Diese familiären Angaben folgen: Holmes, Maren (2007): »Düsseldorf – Berlin – Ankara – Washington. Der Lebenslauf von Edith Weigert, geb. Vowinckel (1894–1982)«, in: Luzifer-Amor, 20, Heft 39, 7–52; hier: 11–13).

[2] Siehe Protokolle der WPV Bd. IV, 1912-1918: acht ausschließlich diesem Thema gewidmete Sitzungen u.a. 378.

[3] Die Eckdaten dieses Projekts lassen sich gut am Briefwechsel von Andreas-Salomé mit Anna Freud nachvollziehen (LAS-AF-Br).

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