»Von der Bestie bis zum Gott« (Essays zur Religion 1891-1920)

Werkedition Bd. 1
(Aufsätze und Essays Bd. 1)

Die Frage nach der Entstehung, Wandlung und Bedeutung von Religion ist ein Thema, das Lou Andreas-Salomé lebenslang begleitete. Auslöser für dieses Interesse ist die eigene Erfahrung, dass der Gott, an den man geglaubt hat, einem abhanden kommen kann.

Zahlreiche Aufsätze und Essays, die hier erstmals in Buchform vorgelegt werden, dokumentieren die Auseinandersetzung dieser klugen Frau mit dem Menschen als religiösem Wesen, das sich nach dem Verlust traditioneller Bindungen neue Formen sucht, in denen sich sein »Höchstes« zu spiegeln vermag. Erschienen in den führenden Zeitschriften der Epoche, kreuzen sich hier unterschiedliche Zugänge: die der Religionswissenschaft stehen neben denen der christlichen Theologie und der frühen Psychoanalyse, die des individuellen neben denen des kulturellen Gedächtnisses.
Jede der drei monotheistischen Religionen sowie unterschiedliche Ausprägungen der Frömmigkeit werden in die Analyse einbezogen. All dies verleiht diesen Arbeiten einen Wert weit über ihren historischen Kontext hinaus. Lou Andreas-Salomé ist so endlich als eine Denkerin zu entdecken, die auf faszinierende Weise Eigenständigkeit und zeitgenössische Repräsentativität miteinander verbindet.

E-Books

Sämtliche Essays dieses Bands sind als PDF-E-Books (mit Erläuterungen) und ein Teil davon als EPUB-E-Books (Textausgabe) erhältlich! (siehe Shop)

Editorische Notiz

Diese Ausgabe enthält in ungekürzter Form alle religionskundlichen Aufsätze und Essays von Lou Andreas-Salomé, wie sie in den verschiedenen Zeitschriften zwischen 1891 und 1921 erschienen sind.
Die ursprüngliche Schreibweise und Zeichensetzung wurden bewußt beibehalten. Zur Vereinheitlichung wurden lediglich die Regeln der Rechtschreibreform von 1901 (th zu t, ss zu ß, c zu z, v zu w) auf den Text angewendet. Eindeutige Schreibfehler wurden – unter Berücksichtigung der Lautstandswahrung – stillschweigend korrigiert.
Die charakteristischen Sperrungen der Erstausgabe wurden in die kursive Schreibweise umgesetzt.

Rezension

Verreet, Joelle: "Meine früheste Kindheitserinnerung ist mein Umgang mit Gott" – Hans-Rüdiger Schwab, Professor für Medienpädagogik an der katholischen Fachhochschule Münster, hat in München ein Buch über Lou Andreas-Salomé vorgestellt, in: Die Tagespost, 27.2.2010, Nr. 24, 63. Jahrgang, Seite 10.

Übersetzungen

Jesus der Jude

Gesù l'ebreo, Il Nuovo Melangolo 2008

Korrigenda

(zur 2. Auflage)

  • S. 270: Wilhelm Bölsches "Die Mittagsgöttin" ist 1891 erschienen (nicht 1887).

(zur 1. Auflage)

  • S. 270: Quellenangabe zur unten identifizierten Stelle
  • S. 323ff: Personenregister
  • einige kleinere Text- und Trennungskorrekturen

Das Rätsel ist gelöst!
Die folgende Textstelle ist identifiziert worden (S. 66 der Buchausgabe) – sie stammt aus Wilhelm Bölsches »Die Mittagsgöttin« (1891).
Der Gewinner ist Michael Hänel aus Göttingen!

Mir fiel bei der Lektüre dieses Kapitels im Buche eine Szene aus einem modernen Roman ein, die wie eine passende Illustration zu den Gedanken des Verfassers erscheint: die Szene, in welcher ein Mensch, der übersinnlichen Erkenntnismöglichkeiten nachjagt und sich enttäuscht gefunden hat, sich gefunden fühlt beim Anblick des wirklichen Lebens und Leidens, weil dieses an seine Tatkraft appelliert. »Die hohen Schlote des Städtchens« heißt es in dem Roman, »stiegen vor mir auf, schon von weitem erkannte ich einen Zug von Arbeitern, die langsam dem Tore der am Wege gelegenen Fabrik zutrotteten. Diese armen Menschen mit ihren schlechten Kleidern, ihren verschlafenen Blicken, wie sie so durch den grauen Morgen dahinzogen, machten heute einen tiefen Eindruck auf mich. – Aus dem Tiefsten der Welt vor meinen Augen schien eine Stimme zu kommen, – eine Stimme der Menschheit. Sie kam ohne Pathos, mit einer einschneidenden Natürlichkeit. – – – Ich sah das Leiden der Menschheit völlig nackt und farblos, in der Stimmung des grauen Regentages, die Sonne hinter Wolken, die Felder triefend, die Wege ein Meer von Kot. Wie dieses Leiden zu ändern sei, wußte ich auch nicht eigentlich, nur ein dumpfes Fühlen war in mir, als würde ich es lernen, als sollte ich jetzt auf dieser Seite voll und klar finden, was ich da drüben in gaukelnden Träumen gesucht. – Wie verworren immer meine Bahn gewesen war, vielleicht war das doch ihr bestes Resultat, daß sie mich mit Unerbittlichkeit in's Leben zurückwarf, – – – – – ich fühlte es sprossen, es regte sich ein neues Leben, … ja, ein Leben.« –

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